Wie fängt Sex an, „richtig“ an? Er ist auf dem Weg nach Hause, sie haben sich tagelang nicht gesehen. Sie wartet sehnsüchtig auf ihn. Er öffnet die Tür, schon im Flur fallen sie übereinander her, zerren sich die Kleidungsstücke hastig vom Leib, küssen, lecken, stöhnen, ….
Ja, so MUSS Sex wohl anfangen! Hollywood lässt grüßen.
In der Praxis höre ich oft: „früher war es wild“ oder „es war noch nie so wild bei uns wie bei anderen“ oder „jetzt spüre ich dieses Verlangen nicht mehr“.
Ganz normal bei Paaren, die eine gewisse Zeit mit ihrer Partner:in zusammen sind, dass die Lust abnimmt. Bei manchen Paaren sogar (fast) ganz zum Erliegen kommt.
Neben dieser „spontanen“ Lust, gibt es auch eine „rezeptive“ Lust. Was ist damit gemeint? Ich erkläre sie immer so, dass das die Lust ist, die sich beim Tun entwickelt. Die Lust entsteht allmählich beim Küssen, beim Austausch von Zärtlichkeiten. Das schreibt man oft eher Frauen zu, aber ich in der Praxis höre ich das auch von Männern. Vielleicht hat es auch mit dem Mythos der ständigen männlichen Spontanlust zu tun? (aber das ist ein anderes Thema à la Hollywood).
Fehlende Lust bedeutet nicht automatisch gar keine Lust auf Sex. Ich finde, die überwiegenden Tage, sind die „Dazwischen-Tage“. Damit meine ich die Tage, an denen es möglich ist, dass sich Lust entwickeln kann.
Leider, leider sind sehr viele Menschen Fans der Idee der spontanen Lust und tun die rezeptive Lust als minderwertig ab. Damit nehmen sie sich eine Chance! Wir Menschen sind verschieden; bei dem Einen ist die Lust einfach da, bei dem Anderen ist sie nicht da, aber kommt, wenn ich berühre, mich berühren lasse. Kein Weg ist besser. Kein Weg ist falsch. Und trotzdem wäre es sehr hilfreich, wenn wir beide Wege als Möglichkeiten anerkennen. Denn das Ergebnis ist das gleiche: eine Begegnung mit meiner Partner:in, die mir/uns Genuss bereitet.
Zum Weiterdenken: Gehöre ich zu den Spontanen oder den Rezeptiven? Oder beiden? Bewerte ich eine Gruppe als besser? Gebe ich der/meiner Lust eine Chance?
